Mit Zuckerwasser zum Millionär

Der Deutsche Rolf Kipp sucht in der Schweiz Vertriebspartner für einen «neuartigen» Energy-Drink – und lockt mit Traumsalären. Doch das Jobangebot hat mehrere Haken.

Das Stelleninserat ­erschien in mehreren Tageszeitungen und tönt vielversprechend: «Mit 35 Multimillionär, mit 40 in Rente. Welt­konzern sucht haupt- bzw. nebenberufliche Unternehmer bis 35 Jahre.» Recherchen von K-Geld zeigen: Hinter dem Inserat steckt indirekt der US-Konzern Forever Living mit Sitz in Scottsdale im US-Bundesstaat Arizona. In der Schweiz vertreibt Forever Living Products (FLP Schweiz) die Produkte der US-Mutterfirma. Dabei handelt es sich vor allem um Erzeugnisse, die auf ­Basis der Aloe-Vera-Pflanze hergestellt werden.

Vertriebspartner arbeiten auf eigenes Risiko
Forever Living ist ein sogenanntes Multi-Level-Marketing-Unternehmen – wie etwa Herbalife, Monavie (siehe K-Geld 5/2010) oder Amway. Das Geschäftsmodell dahinter: Die Produkte sind nicht im Detailhandel erhältlich. Wer bei solchen Unternehmen anheuert, soll weitere Vertriebspartner anwerben und die meist überteuerten Produkte nach Möglichkeit in seinem Bekanntenkreis verkaufen. Interessenten müssen sich auf der Website www.team1-swiss.ch um eine Anstellung bemühen – eine Kontaktperson oder ein Firmenname fehlen im Stelleninserat. Dahinter steckt aber nicht etwa das Unternehmen FLP Schweiz, sondern ein un­abhängiger Vertriebspartner von FLP: der Deutsche Rolf Kipp. Er wohnt angeblich im Steuerparadies Monaco. Das betont zumindest sei- ne Assistentin, die sich bei ­Stellenbewerbern telefonisch meldet. Bei der Suche nach «geeigneten Führungskräften» für den Vertrieb eines Energy-Drinks mit dem Namen «FAB Forever active boost» greift Kipp tief in die Werbetrickkiste. Das neuartige Produkt sei ein «gesunder, pflanzlicher Energy-Drink». Er ­besitze das Potenzial, «die Erfolgsgeschichte von Red Bull zu wiederholen, vielleicht sogar zu übertreffen». Der Drink unterscheide sich von anderen Energy-Getränken. Er enthalte nur wenig ­Zucker. Der natür­liche Koffein-Ersatzstoff Guarana ­liefere dem Konsumenten umgehend einen Energieschub.

Experte beurteilt den neuen Drink kritisch
K-Geld hat die Liste der aufgeführten Inhaltsstoffe dem Präventivmediziner David Fäh vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich vorgelegt. Sein Fazit: «Das Getränk enthält auf 1 Deziliter rund 9,5 Gramm Zucker. Diese Menge liegt in etwa auf der Höhe der meisten Süssgetränke.» Zum Vergleich: Red Bull hat rund 11 Gramm Zucker pro Dezi­liter. Der Effekt von Guarana auf die körperliche Leistung sei zudem umstritten. Fäh fügt hinzu: «Für die meisten Sportler ist Hahnenwasser ideal. Und das kos-tet ­einen Bruchteil des Drinks.» Der Experte würde das Getränk «niemandem empfehlen».

Diverse Verkäufer sind bereits ausgestiegen
Wohl auch wegen solch fragwürdiger Werbeversprechen bleiben die in Aussicht gestellten Top-Saläre meist ein Wunschtraum. Das zeigen diverse Internet-Foreneinträge von finanziell enttäuschten Forever-Living-Vertriebspartnern, die aus dem angeblich lukrativen Geschäft wieder ausgestiegen sind. Ein weiteres Problem: Die Forever-Living-Produkte sind meist deutlich teurer als vergleichbare Produkte. Das trifft auch auf das neuartige Getränk zu: Eine Dose mit 0,25 Liter Inhalt kostet im Online-Shop FLP-team.net 4 Franken. Ein Liter des Getränks kommt somit auf 16 Franken zu stehen. Zum Vergleich: Ein Liter Red Bull kostet bei der Migros Fr. 6.60. Forever Living Products Schweiz und auch Rolf Kipp haben auf Fragen von K-Geld trotz mehrmaligem Nachhaken nicht reagiert. Es bleibt daher offen, wie man mit teurem «Zuckerwasser» mit 40 Jahren in Rente gehen kann.

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